Schubladen bauen

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Seit vielen, vielen Jahren arbeite ich mir als Laiin, also als Person, die keine spezifischen Fachkenntnisse hat, alte Möbel auf. Dabei liegt mein Fokus auf Weichholzmöbeln, also Möbeln aus hellem Holz. Ich habe die alte Farbe von Schränken abgebrannt, abgelaugt und geschliffen. Zu erleben, wie aus einem abgeranzten Schrapelding ein wunderschönes Möbelstück wird, hat mich regelrecht glücklich gemacht. So habe ich mir Stühle, kleine Truhenbänke, Tische, ja sogar ein Kinderbettchen aufgearbeitet. Manchmal fehlten aber Teile oder sie waren verwurmt oder zerbrochen, wie beispielsweise Leisten, Möbelfüße oder Schubladen. Dann reparierte mein Vater diese Dinge für mich oder baute nach, was fehlte.

In meinem Jahresrückblick 2024 hatte ich mir für dieses Jahr vorgenommen, immer mal mit meinem Vater zusammenzuarbeiten, um von ihm und seinen umfassenden Fähigkeiten zu lernen. Ende März konnte ich nun ein paar Tage mit ihm in seiner Orgelbau-Werkstatt verbringen. Anhand von kleinen Projekten wollte ich gern die Maschinen in seiner Werkstatt kennenlernen bzw. erfahren, wie man bestimmte Dinge anfertigt.

Ein Tisch, der auch wieder einer werden möchte.

Unter anderem hatte ich zwei Weichholztische in Arbeit, denen die Schubladen fehlten; die wollte ich neu bauen. Von der Arbeit an den Schubladen möchte ich nun erzählen.

Kleine Holzkunde

Zunächst gab es ein kleines Modul „Holzkunde“: Im Möbelbau muss man einige grundlegende Dinge über Holz wissen, weil diese sich auf das Ergebnis auswirken. So beispielsweise schwindet Holz bei der Trocknung. Sägt man Bretter aus einem frischen Stamm, so würden sie bis zur Trocknung in der Länge circa 1%, in der Breite 15% und in der Höhe 10-12% schwinden. Dann kann der Tischler es verarbeiten. Sobald man Holz in einen anderen Raum, also in ein anderes Klima schafft, beginnt es zu arbeiten, allerdings nicht mehr in diesen Größenordnungen. Holz als natürlicher Rohstoff gibt also ständig Feuchtigkeit ab oder nimmt sie auf.

Wenn man sich die Stirn eines Brettes ansieht, erkennt man den Verlauf der Jahresringe des Baumes. Es ist die quer zur Längsachse bzw. Faserrichtung geschnittene Fläche, die auch als Hirnholz oder Kopfholz bezeichnet wird. Die Jahresringe liegen kreisförmig um den Kern. Und an der Richtung der Jahresringe macht man eine „rechte“ und eine „linke“ Seite des Holzes fest.

Die Seite, die dem Kern zugewandt ist, also die sich um den Kern wölbt, nennt man die rechte Seite, die dem Kern abgewandte, die linke. Hier im Bild sieht man es gut: die obere Kante ist die linke Seite, die untere Kante, die rechte.

Das Hirnholz

Holz neigt dazu, beim Trocknen die Ringe zu „begradigen“. Das Holz würde sich verbiegen oder reißen. Das muss man beim Möbelbau bezüglich der Auswahl und Verwendung des Holzes berücksichtigen. Manchmal liegen die Ringe fast parallel. Dann muss man sich darum keine Gedanken machen. Man schneidet die Bretter zu, überlegt sich, was soll vorn und hinten, die jeweils äußere oder innere Seite sein und kennzeichnet sorgfältig alle Bretter! Das ist enorm wichtig, um im Verlauf der Arbeit immer wieder alle Teile an die richtige Stelle setzen zu können.

Die Werkzeuge

Um die Schubladen zu bauen, wollte ich die Schwalbenschwanzverbindung lernen. Schwalbenschwanzverbindungen ermöglichen eine ineinandergreifende, starke und dauerhafte Verbindung. An der richtigen Stelle platziert, verhindern sie in einer Richtung ein Auseinanderziehen der Teile. Außerdem erfordern sie keine zusätzlichen metallischen Verbindungselemente, wie Nägel oder Schrauben.

Weil man dabei mit Stechbeiteln arbeitet, zeigte mein Vater mir zunächst, wie man am rotierenden Schleifstein die Stechbeitel in der richtigen Weise schärft und anschließend den entstehenden Grat abzieht.

Dann konnte es losgehen. Wir suchten das geeignete Holz aus. Es wurde an den Maschinen grob zugesägt, abgerichtet, gehobelt und nochmals auf die richtige Länge gesägt. Die Brettchen kennzeichnete ich mit dem Bleistift. Anschließend musste ich eine Markierung mit einem kleinen Anreißwerkzeug, dem Räderschneider abtragen.

Hier eine Auswahl der benötigten Werkzeuge, die natürlich nur für ein Foto so ordentlich nebeneinander liegen. Welches Werkzeug fehlt hier?

Erst die Zinken,…

Es gibt unterschiedliche Präferenzen in der Vorgehensweise. Wir arbeiteten im ersten Schritt die Zinken heraus, weil damit später die Schwalben auf den Seitenteilen abgetragen werden sollten. Aber woher weiß ich denn, wie viele Zinken ich benötige? Ein erfahrener Handwerker kann das nach Augenmaß anzeichnen. Ich habe eine kleine Formel benutzt, die in etwas so lautet:

Die Holzbreite wird durch eine ungerade Zahl geteilt, so dass die Teilung in etwa der Holzdicke entspricht. Man teilt entsprechend die Breite des Brettes (80mm) durch seine Dicke (18mm). Heraus kam 4,4 und daraus machte ich 5, die ungerade Zahl. Dann teilte ich die Holzbreite von 80mm durch 5 und erhielte so 16mm. Es wurde aller 16mm ein Teilstrich gezogen, wodurch man 5 Abschnitte erhielt.

An den Teilstrichen trug ich die Schmiegen für die Schwalben und Zinken ab.

Die Schmiege

Nun sägt man bis zur Markierung und achtet dabei auch auf die hintere Seite. Es gibt viele Dinge dabei zu beachten, weil man waagerecht und gleichzeitig schräg in das Holz sägt und immer an der Markierung bleiben muss! Meine erste Probe-Verbindung „durfte“ ich komplett „frei-Hand“ sägen, weil ich ein Grundverständnis für das Handwerken entwickeln sollte. Dann bekam ich ein erstes Hilfsmittel für das Sägen: eine Führungsschienensägelehre.

Nach dem Sägen werden die entsprechenden Teilstücke mit Stechbeitel und Holzhammer weggestochen.

… dann die Schwalbenschwänze

Wenn die Zinken fertig sind, trägt man sie auf dem entsprechenden Seitenteil ab und die Schwalben werden herausgearbeitet.

Die Schwalben bleiben stehen, während alles andere weggestochen wird. Hier muss wirklich genau gearbeitet werden. Geraten die Schwalben zu schmal, sieht man am Ende in der Verbindung kleine Lücken und die möchte man wirklich gar nicht. Besser, die Seiten passen nur knapp, so dass man sie ineinander pressen muss. Mir war nicht klar, an wie vielen Stellen man nach Gefühl – das ich noch nicht habe – oder aber sehr genau arbeiten muss, was sicher eine Frage der Übung ist.

Zusammenstecken, nacharbeiten

Anschließend werden alle Teile zusammengesteckt. Nun sieht man, was noch nicht passt und nachgearbeitet werden muss. Man kann aber auch erkennen, was nicht mehr zu retten ist. Bevor alle Teile verleimt werden, fräst man eine Nut, in die später der Boden der Schublade hineingeschoben wird.

… und: Fertig!

Am Ende werden die vier Seiten verleimt und fest zusammengesteckt. Die Schublade bekommt ihren letzten Schliff, im wahrsten Sinne des Wortes. Alles, was irgendwo übersteht oder beschmutzt war, wird weg- und glattgeschliffen. Abschließend werden mit einem kleinen Mini-Hobel die Kanten gebrochen. Und dann steht sie vor mir: meine erste kleine selbst gearbeitete Schublade!

Mein Fazit

An dieser Stelle ist noch zu sagen, dass es verschiedene Arten von Schwalbenschwanzverbindungen gibt und eine Vielzahl von Spezialwerkzeugen, die die Anfertigung vereinfachen.

Eigentlich könnte ich doch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Bauen von Schubladen verfassen! Das hatte ich zumindest am Anfang gedacht. Aber falsch gedacht. Warum? Weil das, was sich in den einzelnen Schritten so leicht benennen lässt, in der Umsetzung ein Lernprozess ist.

  • Dinge fühlen sich anders an, wenn man sie selber machen muss, als wenn man nur zusieht.
  • Kleinste Abweichungen summieren sich.
  • Es gibt so viele Möglichkeiten, ungenau zu sein.
  • Ein Gefühl von „richtig“ muss sich erst entwickeln.
  • Es ist von Vorteil, die Schritte gezeigt zu bekommen.
  • Und es ist sehr hilfreich, wenn man im Tun korrigiert wird.
  • Das, was man hört, muss man erst in die Vorstellung kriegen und dann in die Hand.

Insgesamt habe ich in zwei Tagen sehr viele Zinken und Schwalbenschwänze geübt und gearbeitet. Nun kenne ich den Prozess und weiß, worauf es ankommt. Und jetzt könnte ich damit beginnen, immer bessere und genauere Ergebnisse zu erzielen. Deshalb hoffe ich, dass bis zum nächsten Schubladenbau noch alles präsent ist!

Auf YouTube gibt es den Kanal von Jonas Winkler, der in einem Video genau zeigt, wie man diese Holzverbindung macht und worauf man achten darf. Viel Freude dabei!

* Es fehlt die Säge.


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