Wie war mein Weg zur Handarbeit? Das ist das Thema der Blogparade in „The Content Society“ (TCS), zu der Ursula Eggers eingeladen hat. Das Thema dieser Blogparade spricht mich an, weil es so schön praktisch und konkret ist und ich mich an meine Kindheit und Jugend zurückerinnern kann. Seit ich denken kann ist es für mich wichtig, mit den Händen zu gestalten und das auf vielfältige Weise. Und dann merke ich, wie fördernd ein entsprechender familiärer Kontext ist: Handwerklich begabte und kreative Eltern und ein Leben auf dem Land boten so viele Möglichkeiten. Auf diesem Blog geht es ja vor allem um Möbelgestaltung. Doch ich habe als Jugendliche auch genäht, gebatikt, getöpfert und gestrickt.
Eigentlich gab es keinen Weg zur Handarbeit, es gab auch keine speziellen Auslöser dafür, sondern schlicht ein Miterleben dessen, was meine Mutter tat, gepaart mit diesem dringenden Bedürfnis, zu erschaffen. Meine Mutter nähte und näht wirklich gern, äußerst gut und vor allem einfallsreich. Ich merkte schnell: Zwischen Nähen und Nähen können besteht ein Unterschied. Es ist eines, beispielsweise Kleidung zu entwerfen und zu wissen, auf welche Weise man sie professionell zusammennäht. Und es ist ein anderes, schlicht eine Nähmaschine bedienen zu können.
Abgesehen davon ist meine Mutter in jeder Hinsicht äußerst kreativ. Den Sinn für Schönheit, für Proportionen und das, was zusammenpasst, habe ich von ihr gelernt. Dieser Space umgab uns Kinder einfach, so dass wir gar nicht anders konnten, als es aufzunehmen. In mir gibt es stets eine spontane Beurteilung meiner Umwelt im Blick auf ihre Stimmigkeit oder ihr Missverhältnis. Und wenn in meinem privaten Raum ein Nagel nicht richtig sitzt, oder ein Farbton nicht wirklich passt, bereitet es mir solange Unbehagen, bis ich es geändert habe.
Nähen – Stoffe, Farben, Muster
Ich kann nicht wirklich nähen, aber ich kann eine Nähmaschine bedienen. Und ich liebe Stoffe, Farben und Muster. Ich habe über die Jahre eine kleine Stoffsammlung aufgebaut. Jeder, der sammelt, weiß, wie befriedigend es ist, sich seine Sammlung anzuschauen. Das hebt die Stimmung! Und richtig schön ist es, wenn man ausrangierte Kleidung bekommt oder an der Straße und in „Mitnehme-Kisten“ Stoffe findet.
Als Jugendliche nähte ich mir farbige Säume an die Hosenbeine und Flicken auf die Knie. Vieles nähte ich als Patch-Work. Das einfachste waren immer Topflappen aus lustigen Stoff-Combis. Mittlerweile nähe ich sehr gern kleine Utensilos, einfach, weil man sie benutzen kann. Es ist so anregend, sich die passenden Farben aus seinem Fundus zusammensuchen zu können. Und was ich aktuell richtig gern mache, sind Patchwork-Decken.
Für jedes meiner Kinder nähe ich eine große Patchwork-Decke aus Samtflicken. Drei Kinder haben bereits eine bekommen. Den Samt dafür hatte ich bereits vor 20 Jahren in einem Stoffekontor gefunden. Dort gab es eigentlich keine schönen Stoffe, also war dies ein Glückstreffer: Samt in 10 Farbtönen – und ich kaufte sie alle.



Für meine Nähprojekte kaufe ich nur selten neuen Stoff, vor allem aber dann, wenn ich eine farblich passende Rückseite benötige. Eine Fundgrube für Stoffvielfalt sind auch Second-Hand-Läden. Für mich ist es reizvoll, ausrangierte Stoffe zu verwenden, wie beispielsweise die alte Kleidung meiner Kinder. Und lustigerweise finden auch ständig Stoffe zu einem, wenn man Freude am Nähen entwickelt. Oft finden sich zwei, drei spezielle Farben, Muster oder Stoffarten zusammen und dann sammle ich über Jahre weitere passende Stoffe hinzu.

So entstand auch diese Sammlung in den Tönen Grau und Rosa bis Weinrot. Mal sehen, wann ich nicht mehr länger abwarten kann, um mit einem neuen Projekt zu starten.
Auch bei diesen Decken waren es immer Sammlungen. Links: Am Anfang gab es den Blümchenstoff und dann kamen die passenden Farben aus Leinen nach und nach hinzu. Auf die Unterseite nähte ich eine wasserabweisende Outdoordecke von Decathlon und so entstand eine Picknickdecke für den See. Oder wie rechts, verfilzte Wollpullover und -westen mit Mottenlöchern für eine mordswarme Decke am Schreibtisch. Die mittlere bedeckt als Tagesdecke mein Bett im Bus. Darin stecken ein alter Wäschesack, eine blaue Bluse, ausgewaschene Röcke und alte Handtücher – alle Materialien aus Leinen.



Schafwolle – Spinnen, Stricken, Weben
Was ich aber als Jugendliche auch noch lernte, war das Verarbeiten von Schafwolle. Wir waren, als ich in die 5. Klasse kam, von der Stadt in ein Dorf gezogen und das Land- oder Dorfleben war genau das richtige für mich. Es war ein riesiges Pfarrgrundstück, weshalb bald ein paar Schafe folgten, die natürlich auch geschoren werden mussten. Dann hatte man diese große Menge an nach Schaf duftender, fettiger Schafwolle in einem großen Bettbezug. An dem einen Ende waren die Schafhaare verschmutzt, verklebt, verzottelt und am anderen Ende ganz fein, weich, gleichmäßig gewellt und fettglänzend.
Bestimmte Anteile wurden aussortiert und die verbleibende Menge mit einer handbetriebenen Maschine kardiert, also gekämmt. Die Wolle wurde zwischen zwei unterschiedlich großen Walzen, in denen ganz viele kleine Metallhaken steckten, hindurchgekurbelt und auseinandergezogen. Dann löste man ein kleines Flies von den Walzen ab, in dem die Haare in einer Richtung nebeneinanderlagen. Auch ein erster Teil des Schmutzes löste sich auf diese Weise heraus. Die Haare waren sozusagen vorsortiert für das Spinnen. Es ging ungewaschen viel leichter und geschmeidiger von der Hand.
Das war also das zweite: Ich lernte Spinnen und ich hatte mein eigenes altes Bockspinnrad. Weil es bereits ziemlich lavede und verwurmt war, ließ ich mir dieses Spinnrad nachbauen von einem Drechsler in Diesdorf in der Altmark. Drei Teile und die Spulen übernahm ich, weil ich sie in diesem „historischen“ Zustand so mochte. (Ein Foto folgt!)
Beim Spinnen werden also zwei Spulen gefüllt und diese dann zu einem wunderschönen Faden verzwirnt. Wir benutzten unsere eigene Wolle und hatten damit ein breites Farbspektrum dunkler und heller Brauntöne. Die entstehenden Fäden waren eine Augenweide, wenn beispielsweise ein heller Faden von einem dunklen umzwirnt wurde.

Über Hand und Ellenbogen wurden sie von den Spulen genommen und in große Schlaufen gelegt.
Hier habe ich mal einen Schwung pflanzengefärbte Wolle versponnen. Man kann gut sehen, wie sich die Farben gegenseitig umzwirnen und wie schön es aussieht.
Im letzten Schritt, auf den ich mich immer besonders freute, wusch ich die Wollstränge in lauwarmem Wasser mit der Hand. Die Fäden wurden dadurch heller, ganz weich und luftig. Und anschließend strickte ich Pullover daraus; auch mal einen für meinen Vater mit 4 oder 5 verschiedenen Woll-Farben und Ärmeln, die ihm fast bis an die Knie hingen. Das richtige Maß zu finden hatte ich da als Sechzehnjährige noch nicht so drauf. Für mich war es eins der prägendsten Erlebnisse von Selbstwirksamkeit überhaupt, tief befriedigend und sinnstiftend: vom Schaf im Garten, das man mit seinem Namen anspricht, bis hin zu einem Pullover aus dessen Wolle, den man tatsächlich trägt!
Und lustigerweise arbeitete ich dann nach der Schule, als ich in einem Camphill in Nordirland lebte, in einer Handweberei. Und so schloss sich der Kreis.


Ja, es ist manchmal einfach zu schön, in der eigenen Vergangenheit zu stöbern! Gerade sitze ich an einem Papageien-Schal. In diesem verstricke ich alle möglichen Reste von Wolle. Ja, er ist ziemlich bunt! Ich werde einen Stoff dagegen nähen und ihn zu einem Loopschal machen. Mal sehen, ob ich ihn tragen werde…