Als ich heute Morgen erwache, scheint mir jemand ins Gesicht zu leuchten. Ich öffne die Augen – da ist es der Vollmond. An der Stelle, an der gestern die Sonne unterging, steht jetzt der Mond.


Ich steige aus und über mir wölbt sich ein klarer, sternenübersäter Himmel. Es ist recht mild, der Wind hat sich gelegt. Das Auto ist von Feuchtigkeit überzogen, die in kleinen Rinnsalen abläuft, sogar meine Buchdeckel haben sich aufgewölbt. Ich ziehe mich an, mache das Auto klar und während ich Kaffee koche, versinkt der Mond, größer und tieforange geworden, im Meer.
Es ist Samstagmorgen. Ich stehe auf den Klippen, aber nicht am Rand – ganz wichtig! – in einer Gegend, die ich nicht so mag. Ich weiß nicht, es ist die Atmosphäre, es sind die dunklen Farben, es ist die fehlende Vegetation.



Hier ist der Atlantik rau, es gehen sehr starke Winde. Die Orte sehen aus, als hätte man sie auf einer leeren Platte aus dem Nichts gestampft. Sie fügen sich nicht natürlich ein in etwas. Es gibt kaum Bäume, keine Kiefern, keine großen immergrünen Büsche – nur Lehmböden, Schilf und Bambus und braunes hartes Gras.
Wie kam ich hierher? Der gestrige Tag hatte auf dem Platz in den Bergen begonnen, im Parque Natural das Serras de Aire e Candeeiros. Ich hatte den Bus nach Osten ausgerichtet, in Erwartung eines Sonnenaufgangs. Doch am Morgen waren die umliegenden Berge durch dichten Nebel verdeckt. Ich machte es mir im Bus mit meinen Morgenroutinen gemütlich, bis es hell wurde. Weil es kalt war, lief ich den einen Weg hoch, den ich gestern noch nicht erkundet hatte. Ich wollte mich bewegen – und fand diese: Mehrere kleine alte Windmühlen, die sich aller paar hundert Meter am Weg aufreihten. Später, in einem kleinen Fischerort konnte ich sehen, wie die Windmühlenflügel eigentlich aussehen: Dieses Horn ist schon beabsichtigt.








Anschließend brach ich auf nach Peniche, das ist ein ganz westlicher Zipfel oberhalb Lissabons. Mich lockte ein Rundweg um die komplette „Insel“. Auf dem Weg dahin musste ich Wasser organisieren und eine günstige Tankstelle finden. Beides klappte. Tanken ist in Portugal bisher mindestens so teuer wie in Deutschland, doch mit Geduld findet man immer eine, die nicht ganz so teuer ist. Es gibt zwei Reiseregeln: Erstens, wo immer möglich, Tanken. Zweitens, wo immer möglich, Wasserkanister füllen.
In Peniche fahre ich auf einen großen öffentlichen Parkplatz. Der Einweiser ist so braun gebrannt, wie man nur sein kann. Er hat sein Fahrrad dabei.


Als ich aussteige, überfällt mich ein Fischgestank. Möwen kreischen und krächzen. Der Weg führt durch den Hafen, ein kleines Restaurant reiht sich ans nächste. Hier riecht es nach einer Mischung aus Fisch, Seetang, Desinfektionsmittel, Waschpulver und Chlor. In diesem Ort gibt es einfache, fast ärmliche Häuser, moderne Reihenhäuser mit klitzekleinen Wohnungen und Ferien-Anlagen für Touristen. Dieser Ort ist kein lieblicher. Überhaupt beginnt hier eine andere Gegend: rauer, karger, nackter.












Nach dem halben Rundweg am Wasser entlang, lenke ich meine Schritte quer durch die Stadt, zurück. Es sind nur 20 Grad, aber in der Mittagssonne strengt es an. Ich schlafe erstmal, als ich zurück bin.
Dann sitz ich da und kann mich lange nicht entscheiden, was ich jetzt tun möchte. Es ist ein „auch-mal-Tag“, ein Tag, wie es ihn auch mal gibt. Ich bin lustlos, antriebslos und unerfüllt. Nichts lockt mich so richtig. Vielleicht muss ich mich umstellen, an diese Gegend erst gewöhnen? Ich überlege, wieder ins Land hineinzufahren, um dann morgen zu einer Bergtour aufzubrechen. Die Route wäre auf sieben Stunden inklusive Auf- und Abstieg angelegt und ich sehe, dass ich sie nicht abkürzen kann, wenn ich wollte. Ein plötzlicher Einfall lässt mich die Temperaturen überprüfen: 28 Grad würden es werden. Oh nein! Damit fällt sie flach.
Schließlich fahre ich weiter zum vier Kilometer entfernten Strand. Feiner weißer Sandstrand, viele Menschen, Textilpflicht. Okay, ich zwänge mich in meinen Badeanzug und gehe schwimmen. Es ist wunderbar! Der Ozean erzeugt hier keine Wellen, bis auf eine einzige große, die regelmäßig das Ufer zischend entlangpeitscht. Völlig ungefährlich und ein riesen Spaß für alle größeren Kinder. Dahinter ist das Wasser ruhig, perfekt zum Schwimmen. Hier darf ich allerdings nicht bleiben, Übernachtungen sind verboten.
Es ist 16 Uhr und ich möchte einen Platz finden zum Kochen und Bleiben. An einem „auch-mal-Tag“ ist das nicht so leicht, dann ist der Wurm drin und egal, wohin ich fahre: Ich finde nichts, was mir gefällt oder sich eignet. An einem bestimmten Punkt weiß ich: Es ist egal, wo – du musst jetzt anhalten, kochen und etwas essen. Ich fahre in einem Ort hinter ein Restaurant, um Ruhe vor dem Wind zu haben. Alle Rollläden sind geschlossen. Trotzdem kommt nach einer Weile der Besitzer und fragt, ob ich hier campen möchte. Ich erkläre ihm, dass ich dachte, das Restaurant wäre geschlossen und ich mache hier ne Pause, um etwas zu essen. Ja, sagt er, es ist geschlossen, aber morgen hat er hier eine Hochzeit. Oh nein, da braucht er keine Sorge zu haben, da bin ich wieder weg.
Anschließend geht es nicht mehr darum, einen Platz zum Kochen zu finden, sondern nur noch zum Schlafen – und der kann überall sein. Die Situation entspannt sich und ich gondele an der Küste weiter, bis ich hier stehen bleibe, um die Nacht zu verbringen.

Inzwischen steht die wieder Morgensonne auf dem Bus und trocknet alle Feuchtigkeit weg! Ein neuer Tag beginnt. Und wenn ich bereit bin, dann fahre ich weiter…