Es ist Donnerstag, der 4. September und als ich in der Frühe erwache, höre ich das Rauschen. Es ist die Brandung des Ozeans. Ich befinde mich mindestens zwei Kilometer entfernt in einem Wald. Ich bleibe noch ein Weilchen liegen, öffne die Bustür und höre ihr zu. Als ich aussteige und an den Himmel schaue, bin ich überrascht: Durch die lichten Baumkronen schimmern die Sterne. Es hat aufgeklart und ich erlebe die erste wolkenfreie und sternenklare Nacht, seit ich letzten Freitag aufgebrochen bin. Ich mache mir einen Tee, stelle meinen Klappstuhl auf den Waldboden und schaue eine Weile nach oben. Es ist vollkommen windstill und man hört außer der Brandung keinen Ton.
Im Grunde ist dies kein Wald, sondern eine große Kulturplantage, bestehend aus Kiefern zur Harzgewinnung und Eukalyptusbäumen.

Ich habe hier nicht unbedingt ein Naturerlebnis. Aber etwas gibt es: Ein intensiver Duft nach Harz und Eukalyptus liegt in der Luft. Schon beim ersten Aussteigen umfing er mich. Der Geruch der Eukalyptusbäume ist das, was ich stark mit Portugal verbinde. Dieses Mal nehme ich mir den Duft mit: Ich habe Eukalyptus-Samenkapseln gesammelt, wenn man an ihnen reibt, entsteht der Geruch. Und ich habe etwas Kieferharz in ein Gläschen geschabt: sehr klebrig und intensiv.


Gestern Vormittag, am Mittwoch, habe ich nach Schreibroutine und Frühstück einen Strandtag gemacht, um mein Buch weiterzulesen. Zwischendurch war ich Schwimmen. Die Wellen waren heftiger, besonders wenn sie einen in Ufernähe erwischen, sie reißen einen von den Füßen und meterweit mit sich. Ich warte die hereinschäumenden Wellen ab und versuche dazwischen hineinzukommen. Dann kann man schwimmen und mitgehen mit den Wasserbergen, bevor sie sich zur Welle auftürmen und überrollen.
Dann lag ich wieder im warmen Sand, bis ich plötzlich angesprochen wurde. Ein Rettungsschwimmer war gekommen. Sie waren besorgt, weil ich so weitab von ihnen schwimmen ging. Ich möchte sicherlich für mich sein und das wäre auch völlig in Ordnung. Aber die See sei heute gefährlich, weil sie eine hinausziehende Strömung habe, und zwar noch bis 19 Uhr. Es wäre ihnen lieber, ich bliebe in ihrer Nähe, dass sie sofort handeln können, falls ich doch abgetrieben werde.
Das fand ich richtig gut und bedankte mich für die Aufmerksamkeit und Fürsorge. Ich ging dann nicht mehr Schwimmen. Die Wellen hatten sich bereits so verändert, dass ich sehen konnte: Da möchte ich nicht mehr rein!

Am Nachmittag verabschiedete ich mich von diesem wunderschönen Strand, wissend, dass der nächste anders werden wird. (Warum dieser Strand so schön war? Das kannst du gern hier lesen!) Es ging zunächst 35 km durch Dünenlandschaft: beruhigend, unaufgeregt und immer gleich. Zwischendurch kann man zu anderen Stränden abbiegen, was ich auch tat. Der Atlantik zeigt an jedem ein anderes Gesicht.

Ich wollte in das 70km entfernte Nazaré, bzw. an den Strand Praia do Norte, um die Wellen zu sehen, die in der Winterzeit die Surfer-Herzen hochschlagen lassen. Schon als ich in diese Gegend kam, wusste ich, dass es mir hier nicht gefällt: zu viele Menschen, zu viel Müll. Außerdem war der Himmel bedeckt, was seinen Teil zu meinem Eindruck beitrug. Doch ich wollte morgen früh einen weiteren Versuch machen.
Ich probierte noch zwei andere Strände, doch überall das Gleiche. So bog ich in den besagten Wald ab, um in Ruhe zu kochen und zu schlafen.
Am nächsten Morgen fuhr ich vor Sonnenaufgang zum Strand und lief am Wasser zweieinhalb Kilometer nach Nazaré – ein anstrengender Marsch.


Die Sonne ging hinter den Dünen auf und bestrahlte das Wasser und die brodelnden Wellen.


Nach zwei Stunden war ich zurück am Auto, aß etwas – und fiel in einen zweistündigen Tiefschlaf.

Ich fuhr einkaufen und dann 30 Kilometer ins Land hinein zu einem Naturpark, den Parque Natural das Serras de Aire e Candeeiros, um zu wandern. Die Wanderung hatte ihren Ausgangspunkt in den Bergen und lockte mit wunderschönen Blicken in die umliegende Landschaft.
Mein Navi führte mich mitten hinein in ein kurviges Dorf und dann eine schmaler werdende, steinige Piste mit tiefen Schlaglöchern den Berg hinauf. Was bitte, WIE … ?
Da hatte ich doch geschlafen!! Hatte ich es nicht bereits gelernt? Immer schön auf einer Straße bleiben und einfach NICHT abbiegen, wenn mir der Weg komisch vorkommt? Doch wenn ich bereits zwischen den Häusern stecke, kann ich nur noch geradeaus.
Da jedenfalls wollte ich nicht hoch, auf keinen Fall! Ich hielt an, stieg aus und sah mich um. Ich vermerkte jeden Stein und jedes Mäuerchen imaginär mit einem roten Fähnchen, weil ich mich rückwärts diese Piste zwischen Steinen, Mauern und Hauswänden wieder hinunterfädeln musste. Am Ende noch ein Wenden in fünfundzwanzig Zügen – und ich war wieder frei! Bloß weg hier!
Jetzt nahm ich mein Rad und fuhr damit los, nur um dann zu sehen, dass eine zwar mordssteile, aber asphaltierte Straße zum Ausgangspunkt der Wanderung führte. Diese Stelle wiederum war so schön, dass ich hier über Nacht bleiben wollte.






Nach der dreistündigen Wanderung holte ich mein Auto. Doch was war das??? Ich war die Strecke gerade mit dem Rad gefahren, um nun mit dem Auto zum zweiten Mal zwischen den Häusern zu landen: Nicht schooon wieder! Rechts oder links lang, um hier wieder rauszukommen? Beides sah bescheiden aus. Da wedelten zwei Hände über einer Hecke: „Nicht da lang, das wird zu eng!“ Ich stieg aus, an den Händen steckte ein freundlicher Mann, der sein Bestes tat, mir den Weg zu beschreiben. Als ich wieder auf der Straße war, machte ich mein Navi aus und fuhr nach meiner Erinnerung – und so kam ich dann an meinem Schlafplatz an.

Jetzt hieß es nur noch: Ausruhen – Waschen – Essen – 1 Gläschen Portwein – eine Runde telefonieren – Recherchieren – Lesen – Sonne untergehen sehen – und schlafen.